Sie sind hier: Startseite Multimedia-Rundgang Geschichte der Institution

Eine Freiburger Institution

Über die Geschichte und Entwicklung des Botanischen Gartens

Die Universität Freiburg wurde im Jahr 1457 gegründet. Die Geschichte ihres Botanischen Gartens beginnt etwa zwei Jahrhunderte später und ist seitdem eng mit der Universität verbunden: Mit seinen wissenschaftlichen Erfolgen und den technischen Neuerungen im Laufe der Zeit wurde er zu einer Institution, die mehr als nur ein Garten ist.

MERIAN TopographiaAlsatiae 1644 Garten1 (siehe Dokument) 540
„Die Statt Freyburg Im Breysgaw" um 1644. Der Standort des ersten Botanischen Gartens wird noch weiter südlich der Stadtmauer vermutet als hier eingezeichnet (Pfeil). Abbildung: Merian, Matthäus & Zeiller, Martin (1644): Topographia Alsatiae. Universitätsbibliothek Freiburg.

Im Freiburger Stadtteil Neuburg beim heutigen Stadtgarten wurde 1620 der „Hortus Medicus“ gegründet. Unter der Leitung des Botanikers Jacobus Walter konnten Wissenschaftler und Studierende Pflanzen für medizinische Heilzwecke betrachten und untersuchen, die Statuten der Medizinischen Fakultät von 1624 würdigen den Garten als eigenständige Lehrstätte. Im 30-jährigen Krieg wurde dieser erste Garten weitgehend zerstört, 1677 musste er den Festungsanlagen französischer Besatzungstruppen weichen. Nachfolgend entstand erst 1766 ein 2,7 Hektar großer und systematisch angelegter Botanischer Garten bei der Kronenbrücke an der Dreisam. Dieser stellte die Arbeit von Forschenden und Lehrenden in den Vordergrund, was dem Aufschwung der Botanik und der Naturwissenschaften in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts sowie dem Einfluss aufgeklärter Mediziner an der Universität Freiburg, wie des damaligen Direktors des Botanischen Gartens Franz Joseph Lambert Baader, zu verdanken war. Ab 1829 beherbergte der Botanische Garten etwa 3000 Pflanzenarten und fing ein Jahr später an, weltweit mit anderen Gärten Samen auszutauschen.

Standort für Forschung und Lehre

Im Laufe der Jahre wurde deutlich, dass der Garten den Anforderungen von Forschung und Lehre nicht mehr entsprach, zudem wurde wegen der Stadterweiterung eine Straße durch den Garten geplant. Ab 1880 entstand daher an der Stelle des heutigen Physikgebäudes im Institutsviertel eine Anlage mit modernen Gewächshäusern und einer üppigen Sammlung an Bäumen, die jedoch bald mehr Platz als vorhanden benötigte. Zum letzten Mal zog der frühere „Hortus Medicus“ 1914 um: Der geographisch in verschiedene Zonen gegliederte Garten wurde an seinem heutigen Standort in der Schänzlestraße im Stadtteil Herdern angelegt, das Areal wurde zugleich vergrößert sowie das Institutsgebäude und eine Gewächshausanlage gebaut. Die 1920 fertiggestellte Freilandanlage war zu Demonstrationszwecken in verschiedene Bereiche aufgeteilt, die Vegetationsgebiete wie das gemäßigte Asien und Amerika sowie Vegetationselemente wie im Mediterraneum und verschiedene Biotope wie alpine Vegetation und Sümpfe darstellen sollten. Eine Einteilung, die seit der Neuanlage des Botanischen Garten zum Ende der 1960er Jahre mit kleinen Anpassungen noch heute erhalten ist.

Farngewächse, Tropenpflanzen, Arten aus Französisch-Guyana oder wasserspeichernde Sukkulenten: Über etwa 910 m² Fläche erstrecken sich die heutigen Schaugewächshäuser, die nach Themen und Regionen aufgeteilt sind. In den Anzuchthäusern kultiviert das gärtnerische Team über 250 Nutzpflanzenarten und in den Gewächshäusern sowie dem Freilandbereich wachsen etwa 6000 verschiedene Pflanzenarten aus aller Welt. Die Zahl der Arten hat das gärtnerische Team in den letzten Jahren reduziert, um sie naturnah in größeren Gruppen zu kultivieren. Um den Bestand den Ansprüchen aktueller Forschung anzupassen, müssen sie sie ihn ständig neu- und umpflanzen. Am internationalen Samentausch nehmen etwa 500 Gärten weltweit teil. Der Botanische Garten versendet Saatgut und anderes Pflanzenmaterial dabei an Botanische Gärten und wissenschaftliche Institutionen, welche dieses gemäß dem Übereinkommen über die biologische Vielfalt verwenden.

Anlaufstelle für die Öffentlichkeit

Der dritte Botanische Garten im Institutsviertel erlaubte den Zutritt erstmals und ausdrücklich auch interessierten Besucherinnen und Besucher von außerhalb der Universität. In einem Bericht von 1898 erklärte ein damaliger Gärtner, die Sammlung richtig benannter, gepflegter, technisch und wissenschaftlich wichtiger Pflanzen sei so anzuordnen, „dass sie einmal dem Botaniker leicht übersichtlich erscheinen, dann aber auch den Garten- und Blumenfreund erfreuen“.

Nach seiner Zerstörung bei einem Luftangriff im Jahr 1944 wurde der Garten zusammen mit den Gewächshäusern von 1946 bis 1955 wiederaufgebaut. In den 1960er und 1970er Jahren entstanden das moderne Institutsgebäude, neue Gewächshäuser und ein Betriebsgebäude. Der damalige Direktor Prof. Dr. Dieter Vogellehner ließ den Botanischen Garten bis 1974 unter dem Leitthema der Evolution gestalten. Das Konzept mit Freilandbereich und Stammbaum-Modell prägt bis heute die zentrale Struktur der Einrichtung. Vor allem das Stammbaum-Modell veranschaulicht die Entwicklung der Blütenpflanzen in ihren natürlichen, durch die Stammesgeschichte bedingten Zusammenhängen. Das System entspricht zwar nicht mehr dem aktuellen Erkenntnisstand in der molekularen Systematik, jedoch erlaubt es durch einen ständig aktualisierten, auf modernen Forschungen basierendem Stammbaum einen Vergleich mit der heutigen Sichtweise.

Seit 2002 ist Prof. Dr. Thomas Speck Direktor des Botanischen Gartens: Unter seiner Leitung entstanden neue Anzuchtsgewächshäuser und ein Eingangsbereich. Von 2010 bis 2016 ließ er den Schauhauskomplex sanieren und technische Installationen erneuern. Speck und sein Team haben den Botanischen Garten zu einem Ort gemacht, an dem Forschende biologische Mechanismen erforschen sowie in bionischen Materialien und Anwendungen übertragen. Und zugleich können hier Besucher die Vielfalt heimischer und fremdländischer Pflanzen genießen. Denn auch noch heute ist die Einrichtung eine Anlaufstelle für Bürgerinnen und Bürger, die hier ihre Ruhe finden, sich entspannen und in diesem „Schaufenster der Forschung“ zahlreiche Pflanzenarten beobachten und kennenlernen wollen.

Patrick Siegert